J.A. Meier u.a. (Hrsg.): Schwerter, Säbel, Seitenwehren

Cover
Title
Schwerter, Säbel, Seitenwehren. Bernische Griffwaffen 1500-1850


Editor(s)
Meier, Jürg A.; Höchner, Marc
Series
Schriften des Bernischen Historischen Museums 15
Published
Bern 2021: Verlag Bernisches Historisches Museum
Extent
239 S.
by
Daniel Jaquet, Bern

Das von Jürg A. Meier und Marc Höchner herausgegebene Buch ist ein Nachschlagewerk für Griffwaffen aus der Sammlung des Bernischen Historischen Museums (BHM), aber auch ein Musterbeispiel für Sammlungskataloge, da es in seiner Konzeption weit über einen Fachkatalog hinausgeht. Es ersetzt und erweitert den 1929 von Rudolf Wegeli herausgegebenen ersten Katalog zur Griffwaffensammlung des BHM, Schwerter und Dolche, erheblich. Die Idee, einen neuen Katalog zu publizieren, entstand bereits 1981, als der Waffenkundespezialist Jürg A. Meier für die Sonderausstellung des BHM «Vom Schweizerdolch zum Bajonett» eine Archivrecherche durchführte. Erst 2018 aber nahm Meiers Buchprojekt – nun mit Marc Höchner, dem Verantwortlichen für die Sammlung europäischer Waffen am BHM, als Co-Autor – Form an.

Das Herzstück des Buches bildet der Katalog von 52 ausgewählten Objekten (S. 63–181), die verschiedene Typen der sogenannten Griffwaffen aus dem Zeitraum zwischen 1500 und 1850 repräsentieren. Die Definition von Griffwaffen wurde überarbeitet und wird kommentiert (S. 11). Die Periodisierung wird begründet mit den ersten archivalisch belegten Ansätzen einer einheitlichen Beschaffung von Griffwaffen durch die Berner Stadtregierung und mit dem Bundesreglement von 1852, das den Kantonen eine materielle Reorganisation ihrer Bundeskontingente vorschrieb (S. 12). Als Kriterien dafür, dass eine Waffe als «bernisch» bezeichnet werden kann, gelten der Besitz durch den Stadtstaat beziehungsweise Kanton, der Besitz durch eine Person, die in Bern wohnte oder diente, die lokale Produktion oder die Anschaffung als Ausrüstung der bernischen Miliz (S. 12). 36 der 52 vorgestellten Objekte stammen aus der Sammlung des BHM, die restlichen 16 von anderen Institutionen oder aus privaten Sammlungen. Die einzelnen Einträge im Katalog bestehen aus einem kurzen Textteil von einer bis zwei Seiten, Fotografen der Objekte (138 Gesamtund oder Detailfotos) und weiteren Abbildungen (insgesamt 11).

Die Publikation leistet einen wichtigen Beitrag zur bernischen Militärgeschichte, indem sie ausgehend von der Untersuchung der materiellen Kultur ausgewählter Waffen die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen miteinbezieht. Dieses Vorhaben ist gelungen, denn die Qualität (und die Lesbarkeit) der verschiedenen Katalogeinträge und die drei wissenschaftlichen Beiträge, die das Buch eröffnen, fügen sich optimal zusammen. Im ersten Beitrag korrigiert André Holenstein (S.15–32) die alten historiografischen Diskurse zur Militärgeschichte, indem er die politische, wirtschaftliche und technische Entwicklung der bernischen Streitkräfte in den grösseren Kontext des modernen Europas einordnet. Er zeigt auf, wie die Republik Bern auf der Grundlage der Miliz und einer klugen Aussenpolitik eine schlagkräftige Streitmacht entwickeln und aufrechterhalten konnte, ohne die hohen Kosten für den Aufbau eines stehenden Heeres zu tragen. Marc Höchner (S. 33–44) befasst sich im zweiten Beitrag mit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung der Miliz, basierend auf der Untersuchung der Waffenkäufe. Er weist nach, dass das aus der mittelalterlichen Tradition stammende, aber bis ins 18. Jahrhundert beibehaltene Selbstbewaffnungsprinzip die Waffenkäufe der Behörden, die er genau aufschlüsselt, ergänzte. Sein Aufsatz ist mehr als eine buchhalterische und technische Studie, weil er auch die Machtstrukturen würdigt, die den Rahmen für die Vorschriften bildeten und die Waffenkontrolle gewährleisteten. Abschliessend bietet der Beitrag von Jürg A. Meier (S. 45–61) eine Geschichte der Griffwaffen, die sich auf Archivmaterial, Objekte und ikonografische Quellen stützt. Er gibt einen klaren Überblick über die verschiedenen Formen, Typen und Nomenklaturen der Waffen, was wahrlich kein einfaches Vorhaben ist. Dieser Artikel erlaubt auch einen Einblick in die Symbolik, Kultur und Verwendung dieser Waffen im bernischen Kontext, der durch Vergleiche mit angrenzenden oder weiter entfernten Räumen in einen grösseren Zusammenhang gestellt wird.

Das Buch ist mit 948 Fussnoten, einer umfangreichen und aktuellen Bibliografie mit Archivquellen (S.194), gedruckten und edierten Quellen (S.195f.) sowie Forschungsliteratur (S. 197–207) sehr gut dokumentiert. Der Anhang (S. 210–240) enthält die komplette materiell-technische Beschreibung der Waffen (S. 210–229), die zur besseren Lesbarkeit des Haupttextes von diesem getrennt wurde. Einer Tabelle (S. 230f.) lassen sich die Datierung und technische Daten zu den 48 Zweihändern aus der Sammlung des BHM entnehmen. Eine weitere Tabelle fasst die Waffenkäufe des Berner Zeughauses zwischen 1685 und 1798 (S. 232f.) mit der Angabe zur Herkunft der Lieferanten (Schweiz oder Ausland) zusammen. Ein Glossar mit technischem Vokabular (S. 234f.) und eine illustrierte Typologie (S. 236–240) der fünf wichtigsten Untertypen der behandelten Waffen (Zweihänder, Schwertgefäss, Degen, Säbel, Faschinenmesser) runden den Anhang ab.

Es fehlt ein vollständiges Abbildungsverzeichnis (auf S. 207 ist nur ein Abbildungsnachweis verfügbar) und ein Personen- und Ortsverzeichnis. Letzteres wäre ein willkommenes Suchinstrument gewesen, dokumentieren die verschiedenen Einträge im Katalog doch die bernische Lokalgeschichte und tragen zu deren Verständnis bei.

Die Gesamtheit der drei wissenschaftlichen Beiträge und der Katalogeinträge bietet einen umfassenden und detaillierten Überblick über die Geschichte der bernischen Griffwaffen von 1500 bis 1850. Spezialisten/-innen finden hier eine wertvolle, von Experten verfasste Zusammenschau sowie eine angemessene Dokumentation der neueren Forschungen zu bernischen Griffwaffen. Nichtspezialisten/-innen werden hingegen wahrscheinlich überrascht sein, eine Lektüre zu finden, die den Zugang zum Thema erleichtert, weil sie sich nicht auf die technische Beschreibung der Waffen beschränkt, sondern in die conditio humana (S.14) der Menschen einführt, welche die bernischen Griffwaffen herstellten, bedienten oder unter der Waffengewalt litten.

Zitierweise:
Daniel Jaquet: Rezension zu: Meier, Jürg A.; Höchner, Marc (Hrsg.): Schwerter, Säbel, Seitenwehren. Bernische Griffwaffen 1500–1850. Bern: Bernisches Historisches Museum 2021 (Schriften des Bernischen Historischen Museums 15). Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 84 Nr. 2, 2022, S. 50-52.

Editors Information
Author(s)
Contributor
First published at

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 84 Nr. 2, 2022, S. 50-52.

Additional Informations
Classification
Regional Classification